Es gibt Redewendungen, die kann ich einfach nicht mehr hören. Jetzt, im Wahlkampf, fällt mir diese hier wieder mal besonders auf; sie wird aber inzwischen in allen möglichen (und vor allem unmöglichen) Zusammenhängen benutzt.
Wir müssen die Leute dort abholen, wo sie stehen.
(beliebig abzuwandeln – die Kunden, die Mitarbeiter, die Bürgerinnen und Bürger, …)
Das Bild an sich ist gar nicht schlecht, finde ich – aber alles, was übermäßig gebraucht wird, verliert irgendwann seinen Charme. Wenn ich das jemanden sagen höre, kriege ich fast schon Schmerzen. Ähnlich geht es mir mit der Wendung
ein Stück weit
Wollen wir mal eine Sammlung aufmachen? Welche Wendungen lösen bei Ihnen/euch aus ähnlichen Gründen Augenrollen, Juckreiz, Gänsehaut oder andere allergische Reaktionen aus?
12 Kommentare
Das „Leute abholen, wo“ finde ich auch grauenvoll. Am schlimmsten finde ich aber das inflationär auftretende „No-go“ – völlig überflüssig und noch dazu in der Regel im Deutschen mit falscher Bedeutung verwendet. Wenn ich in irgendeinem Text darauf stoße, muss ich mich wirklich überwinden, weiterzulesen. Auch „proaktiv“ finde ich scheußlich. Ach, ich könnte noch seitenweise weiterschreiben… :)
Oh, eins muss ich noch erwähnen: „einmal mehr“. Warum nicht „wieder einmal“ oder „zum wiederholten Mal“?
Hi Bettina, ist das „einmal mehr“ denn eigentlich auch ein Anglizismus? Das stört mich nicht so sehr, aber „proaktiv“ ist in der Tat ein ganz heißer Kandidat, auch wenn es nur ein einzelnes Wort und keine Wendung ist. Vielleicht mach ich zwei Listen …
Ja, ich halte das für einen Anglizismus, ursprünglich eine misslungene Übersetzung von „once more“. Wenn mich nicht alles täuscht, taucht der Begriff auch erst seit ein paar Jahren gehäuft auf.
Wie wär’s mit „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“. Das finde ich auch eine inflationäre Hohlphrase – vor allem wenn sie nicht mit konkreten Inhalten gefüllt werden kann.
Ich weiß, es gibt noch gaaaaaaanz viele andere. Aber die hab ich im Moment offenbar erfolgreich verdrängt.
Schöne Grüße
j.
Nachlieferungen sind ja jederzeit möglich!
Weil ich gerade in Bettinas Blog darauf stieß, will ich hier noch ergänzen:
„Geht nicht“ gibt’s nicht.
Eine Phrase, die ich noch nie – und das meine ich wörtlich – irgendwo in korrekter Schreibung gesehen habe.
Wenn jemand mal wieder „gut aufgestellt ist“, erzeugt das bei mir regelmäßig leichten Brechreiz.
Liebe Bettina,
dieses jemanden „Abholen“ finde ich unsäglich, ist eine negativ behaftete Redewendung, wenn man im Internet recherchiert. Die Nazees haben Juden mit Jeeps und Eisenbahn „abgeholt“ und Geistig Kranke mit Grauen Bussen „abgeholt“, Staatsfeinde wurden/werden zum Verhör „abgeholt“, also warum man diese Redewendung benutzt, finde ich schon fragwürdig. Selbst wenn „Abholen“ im Sinne von „auf meinen Wissensstand bringen“ bedeutet, so ist es dennoch vollkommen arrogant nach meinem Dafürhalten. Ich hole dich ab, weil ich schon da bin wo du noch nicht bist. Der „Abholer“ weiß offenbar mehr als der, der den Eindruck von „bestellt und nicht abgeholt“ macht. Einfach nur erniedrigend. Jemanden mit dem Auto abzuholen um zur Arbeit oder in ein Restaurant zu fahren, entspricht dem eigentlich Sinn von „abholen“. Dagegen ist nichts einzuwenden. Mit jemandem wird vereinbart, zusammen von A nach B zu kommen. Abholen im Sinne von „du bist nicht auf dem neuesten Wissensstand“ finde ich persönlich deplatziert, warum dieses „Neusprech“ Verbreitung findet kann ich nicht nachvollziehen, ich beteilige mich daran jedenfalls nicht.
Ebenso bescheuert ist „bla blah blaaah“ um einen Satz abzukürzen. Da spricht man „etc. etc.“ oder „und und und …“ aber niemals „blah blah blaaah“. Das fällt auf einen selbst zurück, der, der das sagt bezeichnet sich selbst als „Schwätzer“ der nur blah blah blaaah von sich gibt. Doch viele merken das nicht.
Weiter fällt auf, dass das Wort „Genau“ ganz oft gebraucht wird, ob am Satzende als eine Art „Punkt“ wie beim geschrieben Satz oder sogar am Anfang eines gesprochenen Satzes…ähemmm… Genau!
Es gibt noch mehr Quatsch, es geht weiter mit „Grillen“ usw. usw.
Schön sind auch Kombis: „Wir sind d’accord, dass wir Menschlichkeit ein Stück weit stärker erlebbar machen wollen. Es macht einfach Sinn.“
Bei mir löst „Chancen kreieren“ Augenrollen aus. Das hat sich während und nach Louis van Gaals Zeit beim FC Bayern München rasend schnell verbreitet und ist nicht mehr aus dem Fußballchargon wegzudenken. Inzwischen findet es schrecklicherweise auch immer öfter den Weg in die Sprache abseits des Fußballs/Sports.
Mein aktuelles Hasswort ist seit einiger Zeit „genau“. Das wird inzwischen inflationär verwendet, wenn Leute beim Sprechen den Faden verlieren und nicht mehr wissen, was sie eigentlich sagen wollten. „Ich hab dies und jenes gemacht und dann … genauuuuuu.“ Argh!
P.S. Toller Blog.
Danke für das Kompliment!
„Chancen kreieren“ ist bei mir noch nicht angekommen, allerdings bin ich auch nicht so zu Hause im Fußball. Was „genau“ angeht, kann ich allerdings nur sagen: genau :-D
Das ein oder andere Mal am Ende des Tages ins Boot holen, dann sind wir ganz bei Ihnen, ok? -kay!